Jessica, wie bist du zum Thema Nachhaltigkeit bei Events gekommen?
Das ist eine spannende Frage! Mein Interesse an Nachhaltigkeit bei Events wurde durch mehrere Faktoren geweckt. Zunächst machten Events im Jahr 2020 10% aller Weltemissionen aus – das ist eine enorme Summe. Vorwiegend internationale Konferenzen trugen damals aufgrund der hohen Reiseaktivitäten der Teilnehmenden dazu bei.*
Nachhaltigkeit ist also ein heißes Thema, insbesondere in der EU. So gibt es zum Beispiel seit Beginn dieses Jahres ein neues Gesetz (CSRD-Gesetz), welches Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtet einen Nachhaltigkeitsreport zu erstellen. Ich fand dies sehr spannend und überlegte mir wie dies in der Event-Welt sich austragen wird.
Der entscheidende Moment war jedoch, als ich an einer Konferenz gearbeitet habe, bei der das Thema Nachhaltigkeit im Mittelpunkt stand. Dort habe ich beeindruckende Beispiele und Best Practices gesehen, wie man Events umweltfreundlicher gestalten kann. Das hat mich inspiriert und motiviert, mich intensiver mit diesem Thema auseinanderzusetzen und zu überlegen, wie ich selbst dazu beitragen kann Veranstaltungen nachhaltiger zu gestalten.
Seitdem habe ich mich kontinuierlich weitergebildet, mit Experten ausgetauscht und nachhaltige Konzepte in meine eigene Arbeit integriert. Es ist unglaublich befriedigend zu sehen, wie kleine Veränderungen große positive Auswirkungen haben können und wie das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Eventbranche wächst.
Was hat euch dazu bewogen mit Vermena Unternehmen bei der Berechnungen von Nachhaltigkeitsberichten zu unterstützen?
Wer in der Event-Welt tätig ist weiß, wie viele Ressourcen bei Veranstaltungen verbraucht werden und welche Auswirkungen dies auf die Umwelt hat. Zudem sagen Events sehr viel über eine Unternehmung aus bezüglich Image. Sobald wir an einem Event einen Plastikbecher sehen, verurteilen wir die Unternehmung und urteilen schnell «die sind ja gar nicht so nachhaltig wie immer sagen». Jedoch gibt es verschiedene Faktoren zu beachten, welche nicht immer vom Auge sichtbar sind.
Ein paar weitere Punkte welche entscheidend waren:
1. Die wachsende Bedeutung der Nachhaltigkeit
Für Kunden, Investoren und Regulierungsbehörden, welche zunehmend transparente und glaubwürdige Nachhaltigkeitsberichte erwarten. Wir haben erkannt, dass viele Unternehmen Unterstützung bei der genauen und effektiven Erstellung dieser Berichte benötigen.
2. Fachwissen und Erfahrung
Wir haben uns darauf spezialisiert, Unternehmen dabei zu helfen, ihre ökologischen und sozialen Auswirkungen zu verstehen und zu kommunizieren. Dies passt perfekt zu den Bedürfnissen von Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsleistung verbessern und transparent machen möchten.
3. Einfluss auf die Gesellschaft
Durch die Unterstützung von Unternehmen bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten tragen wir dazu bei, dass nachhaltige Praktiken gefördert und verbreitet werden. Dies hat nicht nur positive Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft, sondern stärkt auch die finanzielle Position der Unternehmen am Markt.
Jeder Event ist individuell, da scheint es eine große Herausforderungen Emissionen zu berechnen. Wie geht ihr dabei vor?
Unser Ansatz zur Emissionsberechnung umfasst mehrere Schritte um sicherzustellen, dass wir eine möglichst genaue und umfassende Analyse durchführen:
1. Datenerfassung
Zunächst sammeln wir detaillierte Daten über den Event. Dazu gehören Informationen zu Teilnehmendenzahlen, Veranstaltungsort, Dauer, Transportmittel der Teilnehmenden, Energieverbrauch, Catering, Abfallmanagement und Materialien, die für den Event genutzt werden. Je genauer die Daten, desto präziser die Emissionsberechnung.
2. Berechnung der Emissionen
Für jede Kategorie verwenden wir spezifische Emissionsfaktoren, die auf wissenschaftlich fundierten Daten und anerkannten Standards basieren. Wir haben die Möglichkeit die Emissionsfaktoren für das jeweilige Land, wo der Event stattfindet anzupassen, damit der Report präzise ist.
3. Verwendung von unserer Vermena Plattform
Wir setzen eine spezialisierte Software ein, die die Emissionsberechnung automatisiert und die Genauigkeit der Ergebnisse erhöht. Diese Plattform kann komplexe Datenmengen verarbeiten und verringert die Fehlerquote.
4. Validierung der Ergebnisse
Nachdem die Emissionen berechnet wurden, prüfen wir die Ergebnisse auf Plausibilität und vergleichen sie mit ähnlichen Events und Benchmark-Daten. Dies hilft uns, etwaige Unstimmigkeiten zu identifizieren und sicherzustellen, dass die Berechnungen korrekt sind.
5. Berichterstellung und Kommunikation
Schließlich erstellen wir einen detaillierten Bericht, der die Emissionen des Events transparent darstellt. Der Bericht umfasst nicht nur die Gesamtemissionen, sondern auch eine Aufschlüsselung nach Kategorien und Empfehlungen zur Reduzierung der Emissionen bei zukünftigen Events.
Indem wir diesen strukturierten Ansatz verfolgen können wir sicherstellen, dass die Emissionen von Events möglichst genau berechnet werden und die Veranstalter wertvolle Einblicke und Handlungsempfehlungen erhalten, um ihre Veranstaltungen nachhaltiger zu gestalten.
Kann es für die Event-Registrierung ein Hindernis sein, wenn Teilnehmende Informationen zur Anreise angeben müssen?
Für die Teilnehmenden werden diese Daten bezüglich Teilnehmenden-Informationen relative diskret aufgenommen und die Teilnehmenden merken oft gar nicht, dass es Fragen in der Event Registration hat, welche sich auf die Nachhaltigkeit beziehen. Nichtsdestotrotz sind Teilnehmende gewillt umweltfreundlich zu handeln und sehen es sogar als positiv an, dass der Veranstalter sich aktiv um die Umweltbelange kümmert.
Aus Sicht der Veranstalter ist dies ein minimaler Aufwand die Teilnehmenden Informationen für die CO2 Berechnungen zu generieren. Oftmals wird mit 1-2 Fragen in der Event-Registrierung eine gute Analyse erstellt.
Nach der Pandemie hat die Anzahl physischer Events wieder stark zugenommen. Auf der anderen Seite hat fast jedes Unternehmen gelernt online Events durchzuführen. Was ist deine Empfehlung bezüglich Wahl des Event-Formats mit Blick auf Nachhaltigkeit?
Die Wahl des Event-Formats mit Blick auf Nachhaltigkeit sollte sorgfältig abgewogen werden, da sowohl physische als auch online Events ihre eigenen ökologischen Fußabdrücke und Vorzüge haben. Hier sind einige Empfehlungen, um eine nachhaltige Entscheidung zu treffen:
Online Events sind ideal für Veranstaltungen, bei denen der Hauptzweck Wissensvermittlung, Networking oder Schulungen ist und die Teilnehmenden geografisch weit verstreut sind. Online Events eliminieren Reiseemissionen und reduzieren den Energieverbrauch erheblich.
Physische Events sind sinnvoll, wenn persönliche Interaktionen, praktische Workshops oder das Networking-Erlebnis eine entscheidende Rolle spielen.
Eine Option besteht darin, hybride Veranstaltungen zu organisieren. Dabei können die Vorteile beider Formate vereint werden, indem sowohl physische als auch virtuelle Elemente integriert werden. Teilnehmenden haben die Wahl, ob sie persönlich anwesend sein oder online teilnehmen möchten, was die Flexibilität und Reichweite erhöht und gleichzeitig die Umweltbelastung verringert.
Indem man eine CO2-Bilanz beider Formate durchführt, kann man den ökologischen Fußabdruck vergleichen. Obwohl online Events einen geringeren CO2-Fussabdruck haben, da sie Reise und Unterkunftsemissionen vermeiden, sind die Emissionen nicht bei null. Wichtig ist, dass man eine gute Analyse durchführt, was man als Veranstalter erreichen möchte mit dem Event und so bewusst Entscheidungen trifft.
Kannst du uns einfache Beispiele nennen, wie Event-Verantwortliche dem Thema Nachhaltigkeit gerecht werden können?
Klar, hier ein paar gute Beispiele wie man Nachhaltigkeit einfach in Events einbauen kann:
Nachhaltigkeits-Maßnahmen für physische Events:
1. Transport
Fördern von umweltfreundliche Reisemöglichkeiten, wie öffentliche Verkehrsmittel oder Carpooling. Angebot von virtueller Teilnahmeoptionen für weit entfernte Teilnehmenden.
2. Veranstaltungsort
Umweltzertifizierte Veranstaltungsorte wählen, die nachhaltige Praktiken wie Recycling, Energieeffizienz und Abfallreduzierung unterstützen. Veranstaltungsorte wählen, die gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind.
3. Catering
Fokus auf lokale, biologische und vegetarische/vegane Optionen, um den ökologischen Fußabdruck des Caterings zu minimieren.
4. Materialien
Digitale Tickets und Programme, wieder verwendbare Materialien und Einwegplastik vermeiden.
Technologische Effizienz für online Events:
1. Optimierter Einsatz von Servern
Einsatz der Server nur dann, wenn der effektive Bedarf da ist, um den Energieverbrauch zu minimieren.
2. Sorgfältige Auswahl von Streaming-Diensten
Bevorzugung von grünen IT-Lösungen und Anbieter, die auf erneuerbare Energien setzen.
3. Interaktivität und Engagement fördern
Durch innovative online Tools, um das Erlebnis der Teilnehmenden zu verbessern und die Notwendigkeit physischer Treffen zu reduzieren.
Könntest du uns Beispiele nennen, wo ihr solche Maßnahmen bereits umsetzen konntet?
In unserem Report, welcher automatisch generiert wird durch die Plattform werden direkte Empfehlungen für den Event gegeben, wie man den ökologischen Fußabdruck minimieren kann. Gute Beispiele sind sicherlich das Wiederverwenden von Möbeln, die Auswahl von Materialien oder es kann auch sehr simpel sein, wie zum Beispiel aufzuzeigen wie viele Emissionen gespart werden können, wenn man auf ein Buffet anstelle von servierten Mahlzeiten setzt.
Wie kann der Erfolg von Nachhaltigkeitsmaßnahmen gemessen werden?
Diese Frage ist super, denn hier gibt es genügend Wege den Erfolg zu messen.
Hier sind einige wichtige Methoden und Kennzahlen, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu bewerten:
1. Vorher-Nachher-Vergleich oder Jahr-zu-Jahr Vergleich
Hier haben Veranstalter die Möglichkeit die Nachhaltigkeit im Vergleich zum letztjährigen Event zu vergleichen oder sogar während dem Event, wenn einige Schritte zur Reduzierung der CO2 Emissionen bereits implementiert werden.
2. Energieeinsparung
Veranstalter können Energieverbrauch vor, während und nach dem Event messen und vergleichen die Werte mit vorherigen Events, um die Einsparungen zu quantifizieren.
3. Abfallvermeidung und -recycling
Erfassen der Menge des anfallenden Abfalls und den Anteil, der recycelt wird. Ziel sollte es sein, die Menge des Restmülls zu reduzieren und den Recyclinganteil zu erhöhen.
4. Verwendung von Einwegmaterialien
Durch das Zählen der Anzahl der verwendeten Einwegmaterialien und schrittweiser Reduktion.
5. Lebensmittelverschwendung
Durch Erfassen der Menge an verschwendeten Lebensmitteln und Umsetzung von Maßnahmen zur Reduktion.
6. Reisemittel der Teilnehmenden
Durch Sammeln der Daten über die Anreisemethoden der Teilnehmenden und fördern von umweltfreundlichen Alternativen (öffentliche Verkehrsmittel, Fahrräder oder Fahrgemeinschaften).
7. Nachhaltigkeitszertifikate
Die Zertifizierung von Events nach anerkannten Nachhaltigkeitsstandards wie ISO 20121 oder EMAS bietet einen objektiven Maßstab für den Erfolg der Nachhaltigkeitsbemühungen.
8. Nachhaltigkeitsbericht erstellen
Bericht der alle Nachhaltigkeits-Maßnahmen und deren Ergebnisse dokumentiert. Veröffentlichung dieses Berichtes hilft, Transparenz zu gewährleisten und die Erfolge sichtbar zu machen.
Wie siehst du die Zukunft der Nachhaltigkeit in der Event-Branche? Welche Trends und Entwicklungen erwartest du?
Die Zukunft der Nachhaltigkeit in der Event-Branche wird maßgeblich von technologischen Innovationen und dem steigenden Druck von Stakeholdern geprägt sein. Moderne Softwarelösungen zur präzisen Emissionsberechnung und Echtzeit-Tracking werden es Veranstaltern ermöglichen, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen und ihre Leistung kontinuierlich zu verbessern. Gleichzeitig werden wachsende Erwartungen von Kunden, Regulierungen und Investoren die Nachfrage nach umweltfreundlichen Praktiken weiter erhöhen. Durch diese Entwicklung wird die Veranstaltungsbranche zunehmend transparenter und nachhaltiger, wodurch Unternehmen langfristig wettbewerbsfähiger werden und ein positives Image in der Öffentlichkeit erhalten.
Jessica, vielen Dank für das spannende Interview. Wir wünschen dir viel Erfolg mit Vermena.
* Quelle: Tao, Y., Steckel, D., Klemeš, J. J. & You, F. (2021). Trend towards virtual and hybrid conferences may be an effective climate change mitigation strategy. Nature Communications.